Hirte Sein

Ursula Meyer
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Hirte sein in der heutigen Zeit – Gibt es das noch? – Ein Interview mit zwei Vertretern dieser Berufsklasse

Moderatorin: Ursula Meyer

Hirte sein, ein herausfordernder Beruf. Wir lernen zwei unterschiedliche Hirten kennen. Schon seit einigen Jahren sind der Wolf und der Bär in der Schweiz zurück: Wie schützen die Hirten ihre Herde vor diesen Tieren?

Wir sind in einer Livesendung – Das heutige Thema lautet: Hirte sein – gibt es das noch? Mein Name ist Ursula Meyer. Ich bin die Moderatorin und leite die Sendung.

 

Ich begrüsse meine beiden Gäste und stelle sie kurz vor.

 

Mein erster Gast ist ein Hirte, das ist sein Beruf. Sie tragen einen breiten Hut um sich vor jedem Wetter zu schützen. Sie haben einen Stab dabei und Sie tragen einen langen Mantel. Sie haben eine grosse Schafherde und Sie bewegen sich in den Schweizer Bergen.

 

Mein zweiter Gast ist ebenfalls ein Hirte, aber aus Leidenschaft. Sie sagen von sich selber, dass Sie der gute Hirte sind. Sie tragen keinen Hut, haben aber auch einen Stab bei sich und Ihre Kleidung besteht auch aus einem Mantel. lhre Schafherde ist über die ganze Welt verstreut und Sie führen Ihre Schafe persönlich.

 

Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben um an diesem Interview teilzunehmen.

 

Zuerst möchte ich mich an Sie wenden. Sie sind ein Berufshirte. Wie sind Sie zu diesem aussergewöhnlichen Beruf gekommen?

 

BERUFSHIRTE (BH): Mein Grossvater hatte eine grosse Schafherde in den Schweizer Bergen. Später übernahm diese Herde dann mein Vater und jetzt bin ich an der Reihe. Ich habe mir diesen Beruf nicht ausgesucht. Es gehört einfach zur Tradition, dass der Sohn weitermacht, wenn der Vater aufhört.

 

MODERATORIN: Können Sie von diesem Beruf leben?

BH: Ja das kann ich. Die Schafe geben mir Wolle und Fleisch. Ich sehe sie als Herde und nicht als Einzeltiere. Natürlich hören sie auf meine Stimme, sie sind ja ganz von mir abhängig. Ich führe sie so, dass es mir den meisten Gewinn bringt.

 

MODERATORIN: Schon seit einigen Jahren sind der Wolf und der Bär in der Schweiz zurück: Wie schützen Sie Ihre Herde vor diesen Tieren?

 

BH: Ich habe einige Schutzhunde um die Herde herumgestellt. Diese bellen und passen auf, dass der Wolf der Herde nicht zu nahekommt. Es kommt natürlich immer wieder vor, dass ein Schaf von einem Wolf gerissen wird, aber ich habe noch viele andere Schafe. Auf ein Schaf mehr oder weniger kommt es mir nicht darauf an.

 

MODERATORIN: Ist lhre Anwesenheit nicht auch ein guter Schutz gegen den Wolf?

 

BH: Doch sicher, aber ich kann nicht überall gleichzeitig sein, meine Schafe sind auch auf einer grossen Fläche verstreut, da ist es schwierig auf jedes einzelne Schaf aufzupassen. Diese sind halt auch ganz unterschiedlich in ihrem Charakter. Wenn sie nicht gerissen werden wollen, so müssen sie sich halt fügen und im engen Kontakt zu anderen Schafen bleiben. Nur so haben sie eine sichere Chance, mit dem Leben davonzukommen.

 

MODERATORIN: Ich danke Ihnen für Ihre interessanten Ausführungen. Jetzt möchte ich zu meinem zweiten Hirten kommen. Sie sind ein Hirte aus Leidenschaft. Sie sagen von sich selber, dass Sie der gute Hirte sind. Können Sie unseren Zuhörern erklären, was Sie unter „guter Hirte“ verstehen?

 

GUTER HIRTE (GH): Ein guter Hirte arbeitet nicht für Geld,

sondern es ist ihm eine Freude, eine Leidenschaft. Es gibt nicht

viele gute Hirten, eigentlich bin ich der Einzige. Die Voraussetzung für diese Leidenschaft ist, dass ich aus meiner Fülle geben kann. Ich habe sehr viele Schafe, die über die ganze Welt verstreut sind. Ich kenne natürlich auch jedes einzelne Schaf. Ich kenne seinen Charakter, seine Stärken und seine Schwächen. Und darum führe ich jedes einzelne Schaf genau so, wie dieses es momentan braucht. Auch um meine Herde herum gibt es Wölfe, hungrige Wölfe sogar, die liebend gerne eines meiner Schafe reissen würden. Auch ich habe einen Schutzwall um meine Herde herumgestellt. Dieser Schutz besteht aber nicht aus Hunden, sondern aus meinem Blut. Meine Schafe sind mir so kostbar, dass ich mein Leben für sie gegeben habe. Meine Schafe hören auch auf meine Stimme. Aber da gibt es Schafe, die ignorieren meine Stimme, dann gehen sie ihren eigenen Weg und kommen natürlich in Schwierigkeiten. Wenn solche Schafe dann nicht mehr weiterwissen, dann schreien sie zu mir als ihren Hirten. Und weil ich der gute Hirte bin, lasse ich die ganze Herde zurück und suche das eine Schaf das sich verirrt hat. Natürlich schimpfe ich nicht mit meinem Schaf, sondern trage es freudig zu der Herde zurück. Ich hoffe dann, dass es seine Lektion gelernt hat.

 

MODERATORIN: Ja, Sie sind wirklich der gute Hirte. Da wünscht sich doch jedes Schaf, dass es in lhrer Herde ist. Sie werden sicher vor Anmeldungen in lhrer Herde überrannt und Sie müssen sicher einen Sekretär anstellen, der alle diese Anmeldungen abwickelt?

 

GH: Nein leider ist es nicht so. Sehen Sie: Schafe sind von Natur aus orientierungslos. Deswegen brauchen sie ja einen Hirten. Da gibt es viele Hirten, die ganze Herden kaufen und sie ausnutzen zu ihrem eigenen Gebrauch. Sie schlachten die Schafe, dass sie Fleisch bekommen, die nehmen ihnen die Wolle obwohl die Tiere dann kalt haben. Rücksichtslos beuten sie die Schafe aus. Ich hingegen kaufe keine Schafe, sondern ich locke sie zu mir. Meine Schafe sind alle freiwillig bei mir.

Dann sehen sie, wie gut sie es bei mir haben. Wenn sie sich mir ganz anvertrauen, dann leben sie im Überfluss. Die Güte und die Gnade und die Barmherzigkeit folgen ihnen auf Schritt und Tritt. Manchmal merken sie es nicht einmal. Ich führe sie zu den besten Weideplätzen und immer zu frisch sprudelnden Quellen. Ich lebe auch mitten unter meinen Schafen. Sie kennen mich und laufen hinter mir her. Ich könnte noch viele Schafe aufnehmen, denn ich habe viele grosse Weiden über die ganze Welt verstreut.

 

MODERATORIN: Gibt es einen Grund, warum nicht mehr Schafe zu lhnen kommen wollen? Sie sind doch der einzig gute Hirte.

 

GH: Es gibt Schafe, die glauben es nicht, dass ich gut bin. Dann gibt es Schafe, die wollen lieber ihren eigenen Weg gehen. Und dann gibt es Schafe, die sind in Gefangenschaft bei anderen Hirten und diese lassen die Schafe nicht gehen. Aber wenn ein Schaf in der Gefangenschaft ist und zu mir schreit, so höre ich es und befreie es. Jedes Schaf hat einen eigenen Willen. Und diesen respektiere ich. Aber wenn sich ein Schaf falsch entschieden hat, und es bleibt hartnäckig und stur, so muss es auch die Konsequenzen tragen. Bei mir sind nur freiwillige Schafe.

 

MODERATORIN: Ich möchte Sie noch wegen Ihrer Kleidung befragen. Sie tragen keinen Hut. Warum? Sie haben auch keinen speziellen Hirtenmantel an. Aber einen Stab haben Sie trotzdem. Gibt es dazu einen Grund?

 

GH: Ich trage keinen Hut, weil die Sonne mich nicht stechen kann und ich nicht verbrannt werde von ihr. Mein Mantel besteht aus meiner Gerechtigkeit. Aber der Stab brauche ich für die Schafe. Es gibt Zeiten, da sehen die Schafe mich nicht, weil ich ihren Glauben an meine Güte und Gnade erproben und schärfen will. Aber sie wissen und glauben, dass der Hirtenstab

sie führt. Ich habe ihn immer in der Hand. Nie verlasse ich meine Schafe, sie sind immer auf mich angewiesen. Und ich habe sie in meine Hand gezeichnet. Niemand kann sie aus meiner Hand reissen. Meine Schafe sollen wissen, dass ich sie liebe und sie leben in enger Gemeinschaft mit mir. Sie leben auch sicher und geborgen in meiner Gegenwart.

 

MODERATORIN: Das war ein sehr interessanter Bericht von Ihnen und lhrer Leidenschaft als guter Hirte. Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Liebe Zuhörer, wir sind leider schon am Ende unserer Sendung angelangt. Ich bedanke mich auch bei den beiden Hirten, dass Sie zu uns ins Studio gekommen sind und über lhre Tätigkeit als Hirten gesprochen haben. Auch ich verabschiede mich von unseren Zuhörern bis zur nächsten Livesendung, gleicher Kanal, gleiche Sendung mit Ursula Meyer. Auf Wiederhören!

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